Internetzensur JA oder Nein!
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Ein kurzes Update:

Zitat:
Informationsfreiheit
Die Angst vor der totalen Überwachung

von Sandra Louven und Axel Postinett

In Iran versucht das Regime, die Kommunikation der Opposition im Internet mundtot zu machen, doch Einschnitte in die Welt der Surfer sind längst nicht nur auf diktatorische Länder beschränkt. Immer häufiger stellt sich die Frage: Wie frei ist das Internet? Auch in Deutschland häufen sich staatliche Eingriffe in die digitale Kommunikation.


Die Unruhen im Iran haben einen Aufschrei der Entrüstung ausgelöst: Das Regime hatte eine Filtersoftware installiert, um nach der umstrittenen Präsidentenwahl die Kommunikation der Opposition im Internet zu manipulieren. Deutsche Politiker geißelten das als Eingriff in die Informationsfreiheit. Dabei ist auch in Deutschland das Internet längst nicht mehr frei. Mit dem jüngst verabschiedeten „Zugangserschwerungsgesetz“ installiert die Politik erstmals eine Überwachungsstruktur, die ausdrücklich auf die Kontrolle von Internet-Inhalten abzielt.

Damit schränkt die Politik nicht nur die Freiheiten von Internetnutzern ein und dringt in die Privatsphäre vor. Auch die betroffenen Unternehmen ächzen unter dem immer enger werdenden gesetzlichen Rahmen im einst so freien Internet: Anbieter von Internetzugängen (Provider) etwa beklagen hohe Kosten für die Einführung der Kontrollinfrastruktur, Websitebetreiber fürchten sinkende Werbeeinnahmen, weil ihre Reichweite sinkt.

Maßgeblich verantwortlich für das neue Zugangserschwerungsgesetz ist Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). „Das Gesetz ist offenkundig und zweifelsfrei nicht verfassungskonform“, urteilt Rechtsanwalt Thomas Stadler von der Kanzlei Alavi Frösner Stadler in einem offenen Brief an den Bundespräsidenten. Horst Köhler solle das Gesetz stoppen. Er ist damit die letzte Hoffnung der Gesetzesgegner. Davon gibt es viele: Weit mehr als 130 000 Menschen unterschrieben eine Petition, das Vorhaben zu stoppen – vergebens.

Jetzt soll Internetsurfern, die eine Website mit kinderpornografischen Inhalten ansteuern, der Zugang zu diesen Seiten verwehrt werden. Sie bekommen ein Stopp-Schild angezeigt, die Provider müssen Zugangsversuch und Zugangsdaten speichern und auf Anfrage den Strafverfolgungsbehörden ausliefern.

Die Sperrung bestimmter Webseiten ist nicht ungewöhnlich. Suchmaschinen bieten „Erotikfilter“ an, um pornografische Inhalte auszublenden; offenkundig illegale Seiten tauchen in Suchergebnissen gar nicht erst auf. Eltern statten die PCs ihrer Kinder mit Filtersoftware aus.
Auch zahlreiche Unternehmen limitieren den Webzugang ihrer Mitarbeiter. Dort sind rechtswidrige Inhalte tabu, aber auch „unerwünschte“ Seiten, etwa die als Zeitkiller kritisierten Social-Networking-Seiten, auf denen sich während der Arbeitszeit niemand tummeln soll. Kommerzielle Dienste erlauben sogar, Webseiten in Unternehmen nur für bestimmte Tageszeiten freizuschalten. Was da ausgeblendet ist, weiß im Unternehmen oft niemand mehr: Externe Dienstleister verwalten diese Listen. Betrifft die Sperrung einen großen Nutzerkreis, bekommt der Anbieter der Webseite das unter Umständen in sinkenden Besucherzahlen, weniger Werbeerträgen und Umsatzausfällen zu spüren.

Die Telekom-Unternehmen waren wenig begeistert, dass sie das Gesetz zu Internet-Polizisten umfunktioniert. „Die Filter sind ein massiver Einschnitt in die informationelle Selbstbestimmung“, sagt ein Telekom-Sprecher.

Andersherum bringt ihnen das Gesetz Rechtssicherheit. Die gesetzliche Grundlage dürfte die Anbieter auch vor Schadensersatzforderungen schützen, falls eine Seite fälschlicherweise auf den Index gerät. Die Unternehmen geben sich jetzt kooperationsbereit: Sie bauen ihre Netze um, damit das Bundeskriminalamt automatisch selber die zu sperrenden Seiten in die Systeme einpflegen kann. Die Schnittstellen für die Behörden-Computer sollen Mitte Oktober geschaltet sein, heißt es bei der Telekom. „Da wird es noch wichtiger, wie sorgfältig das Bundeskriminalamt arbeitet“, analysiert Rechtsanwalt Stadler.

Überhaupt wächst die Macht des BKA. Was verboten ist, entscheiden BKA-Beamte. Die Internet-Provider müssen ohne Ausnahmen anhand dieser – geheimen – Liste die Sperrungen technisch sicherstellen. „Trifft es ein Unternehmen zu Unrecht, muss der Verwaltungsgerichtsweg eingeschlagen werden“, sagt Stadler.

Einführen müssen die Filterstrukturen Internet-Provider ab 10 000 Kunden. Für kleinere Unternehmen wäre der finanzielle Aufwand zu hoch. Universitäten und öffentliche Bibliotheken sind ausgenommen.
Kritiker warnen: Ist die Technik einmal da, kann man alles sperren, was man will. Nur Stunden nach der Verabschiedung forderten Politiker weitere Sperren – von Computerspielen bis hin zu Tauschbörsen.

Das Gesetz ist Teil einer regelrechten Überwachungsoffensiven des Staates. So hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Kompetenzerweiterung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) abgenickt: Um Cyber-Angriffe auf öffentliche Netze zu verhindern darf das BSI alle Protokolldaten und Nutzerinformationen, die bei der Online-Kommunikation zwischen Bürgern und der Verwaltung des Bundes anfallen, unbegrenzt speichern und auswerten. Ende 2007 verabschiedete Berlin das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, das Telekom-Unternehmen verpflichtet, die Gesprächsdaten ihrer Kunden sechs Monate lang zu speichern.

„Der gläserne Bürger ist Realität“, sagt Markus Beckedahl, Aktivist für digitale Freiheiten. „Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis jemand diese Datenbanken miteinander verknüpft.“ Jurist Stadler will abwarten. Vom Bundespräsidialamt bekam er bis heute nur ein Formschreiben als Antwort. Vielleicht wird das Verfassungsgericht entscheiden müssen. „Wir prüfen da alle Möglichkeiten“, sagt Stadler.

„Eingriff in die Freiheit der Kommunikation“

Interview mit Peter Schaar

Das Gesetz zur Zugangskontrolle für kinderpornografische Seiten ist verabschiedet. Beobachter konstatieren, das Internet sei damit nirgendwo so stark reguliert, wie in Deutschland. Stimmt das?
Ich kenne keine Rankings zur Internetzensur und ein Vergleich mit einem undemokratischen System könnte sowieso kein Maßstab sein. Aber in der Tat wird jetzt erstmals eine Sperrinfrastruktur aufgebaut, die sich auf Inhalte bezieht. Das ist schon ein sehr gravierender Eingriff in die Kommunikationsfreiheit. Das hätte intensiver diskutiert werden sollen, was aber nicht geschehen ist.

Steckt da Absicht hinter?
So weit würde ich nicht gehen. Die Idee für ein Gesetz wurde erst spät geboren, weil das ursprüngliche Vorhaben von vertraglichen Vereinbarungen zwischen BKA und Web-Providern auf harsche Kritik insbesondere von Providerseite gestoßen ist. Das Verfahren berührt das Fernmeldegeheimnis. Darum wurde noch schnell ein Gesetz entworfen.

Was bedeutet das Gesetz für die Informationsfreiheit?
Wenn eine Sperrinfrastruktur erst mal da ist, sind Forderungen nach einer Ausweitung programmiert, und sie werden ja auch schon erhoben: so etwa bezogen auf rechtsradikale Propaganda, bestimmte Computerspiele, ja sogar die Unterbindung des Zugangs zu Seiten, die angeblich urheberrechtlich geschützte Werke bereit halten. Ein erster gefährlicher Schritt ist gegangen, ohne die Alternativen wirklich auszuleuchten.

Was heißt das?
Zum Beispiel wurde nicht eingehend geprüft, wie man auf der Angebotsseite – also dem Bereithalten des Materials – effektiver eingreifen kann. Dem widersprechen nicht einmal die Befürworter des Gesetzes.

Es wurden Kontrollstrukturen geschaffen. Sind die ausreichend?
Das Expertengremium, das in meinem Hause angesiedelt sein soll, hat nur eine sehr begrenzte Aufgabenstellung. Es soll feststellen, ob ein Angebot kinderpornografisch ist, oder nicht. Es darf aber zum Beispiel nicht prüfen, ob die im Gesetz festgelegten Schritte, um zunächst den Anbieter zu belangen, vom BKA überhaupt eingehalten wurden. Auch diese Konstruktion ist mit heißer Nadel gestrickt.

Ist die Privatsphäre jetzt verloren, die Zensur da?
Was jetzt installiert wird, war nicht die letzte Verteidigungsmauer, die gefallen ist. Das grundgesetzliche Verbot der Zensur ist damit nicht ausgehebelt. Aber Inhaltskontrolle ist jetzt erstmals grundsätzlich auch technisch flächendeckend möglich.

Quelle: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/...ng;2434939


... ziemlich traurig, das Ganze! [Bild: blue-no.gif]
Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen.
(Franz Kafka)
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