Kennt die jemand?
Aus dem SPIEGEL-Online:

"EINE MELDUNG UND IHRE GESCHICHTE

Ruhe, verdammt!

Von Uwe Buse

Wie ein Nürnberger um seinen Schlaf kämpft

Markus K., 22 Jahre alt, breitschultrig, lag auf seiner Couch und fluchte. Es war kurz nach eins in der Nacht, K. wollte schlafen, er musste schlafen, er hatte einen Job. Aber durch die Wand dröhnte Peter Maffay.

Es war nicht die erste Nacht, in der Markus K. der Schlaf gestohlen wurde. Es ging schon seit Wochen so, seit Monaten, seit in den leer stehenden Friseursalon nebenan eine Domina eingezogen war. Seitdem hörte K. spät in der Nacht die Lustschreie von Männern und manchmal auch Musik.

Bevor die Domina sich nebenan einrichtete, lag K. nachts nicht auf seiner Couch, sondern in seinem Bett. Es ist groß und bequem, und es steht, wie es sich gehört, in seinem Schlafzimmer. Aber sein Schlafzimmer teilt sich eine Wand mit dem Studio der Domina.

Er hatte sich beklagt, beschwert, und schließlich trat er den Rückzug an in sein Wohnzimmer, wo er und seine Freundin die Nächte auf der Couch verbrachten. Die Couch hat die Form eines L, und K. lag auf der kurzen Seite. Es war eng, unbequem, und, wie K. fand, entwürdigend. Er musste etwas tun. Er würde dem Lärm ein Ende machen. Es ging nicht nur um seinen Schlaf, es ging auch um seine Würde. Er wollte sein Schlafzimmer zurück.

K. stand auf, holte eine Gaspistole hervor, die er sich zum Selbstschutz gekauft hatte, und schob sie hinten in den Hosenbund. Zur Sicherheit griff er sich auch noch sein Nunchaku; zwei unterarmlange Holzstäbe, die eine Kette verbindet. Dann ging er durch seinen Flur, öffnete die Wohnungstür und klopfte an der Tür des Studios. Peter Maffay sang immer noch.

Nichts passierte.

K. klopfte noch einmal, lauter, entschiedener. Wieder nichts.

Die Rückeroberung des Schlafzimmers schien auszufallen.

Plötzlich öffnete sich die Tür, ein mächtiger Schatten fiel auf K., und er sah auf den Brustkorb eines Mannes. Der Mann hieß, das erfuhr K. später, Ali.

Von diesem Moment an verwischt das Geschehene ein wenig und lässt sich nicht genau rekonstruieren.

Ali ging wohl auf K. zu und sagte: "Du bist doch noch viel zu klein, um damit zu spielen." Er zeigte auf das Nunchaku und nahm es K. weg, so wie ein Erwachsener einem Kind etwas wegnimmt. K. ließ es geschehen. Ali ist wirklich groß.

K. ließ auch zu, dass Ali das Nunchaku zerbrach und hinter sich warf.

Dann schlug Ali auf K. ein, oder vielleicht schlug auch K. auf Ali ein. Irgendwann flog K. gegen eine Tür, und Ali soll gesagt haben: "Ich geh mal ins Studio, um was zu holen." K. wusste nicht, was Ali holen wollte, aber er vermutete, dass es nicht zu einer gewaltfreien Lösung des Konfliktes beitragen würde. Deshalb griff K. hinter seinen Rücken, fingerte nach der Gaspistole, hob sie und hielt sie Ali vor das Gesicht. Dann zog er den Abzug durch. Kurze Zeit später war die Polizei da.

Die Beamten verhörten K., befragten Ali und ließen ihn ambulant behandeln. Ali hörte schlecht und blutete aus der Nase.

Die Frau, die diesen Streit nicht gewollt, nicht gefördert, aber doch erst möglich gemacht hat, nennt sich Vicky. Sie ist seit über dreißig Jahren im Geschäft und sitzt in ihrem Studio auf einer Art Pranger, den ihr ein Freund gebaut hat. Darauf lassen sich Kunden festschnallen, mit heruntergelassenen Hosen. Rechts daneben steht ein leicht geneigtes Kreuz, an das man sich ketten lassen kann, wenn man das gern hat. Das Kreuz ist mit abwaschbarem schwarzem PVC beklebt.

Zwischen den beiden Geräten liegen Peitschen, Spritzen, halb volle Flaschen mit Kochsalzlösung, Handschellen, eine Gasmaske und eine Schulbank mit Heften und dazugehörigem Stühlchen. "Gezahlt wird bar, einfaches Peitschen kostet 100 Euro, der Rest ist Verhandlungssache", sagt Vicky.

Sie trägt schwarze Stulpenstiefel mit Absätzen so hoch wie der Mount Everest, darüber einen schwarzen Stretchmini, kaum breiter als ein Gürtel, ein Top aus schwarzem Stretch, das fast nur aus Dekolleté besteht, und dann, schließlich, schwarze Haare.

Sie ist nicht glücklich über die Schlägerei im Flur, "so was spricht sich herum und mindert den Umsatz". Ihre Kunden lieben zwar den Schmerz, aber sie wollen ihn kontrollieren können.

Außerdem seien die Vorwürfe völliger Blödsinn. Sie habe schon längst nicht mehr gearbeitet an diesem Abend. Sie schließe um 23 Uhr, "danach laufen draußen zu viele Verrückte herum".

Mit ein paar Freunden habe sie zusammengesessen, etwas getrunken, und Ali sei nur ein Gast gewesen, kein Freier, wie alle behaupten.

Der Nachbar K. sei auf Ärger aus, weil sie ihn noch nie reingelassen habe ins Studio. Das sei der wahre Grund für die Schlägerei. Und damit sei alles gesagt.

Was stimmt und was nicht stimmt, wird demnächst ein Nürnberger Richter entscheiden. Bis dahin bleibt alles, wie es war.

Vicky wird weiter Männer verhauen.

Und Markus K. schläft auf der Couch."

http://www.spiegel.de/spiegel/inhalt/0,1...44,00.html

Mark, der auch mal Wand an Wand mit einem Puff gewohnt hat (aber nie was gehört hat gD)
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