Politische Diskussionen und Entscheidungen
Langer (~4000 Wörter), aber sehr lesenswerter Beitrag im Deutschlandfunk.

Tanja Dückers (Deutschlandfunk) schrieb:Prostitution - Jedes Verbot ist ein heimliches Gebot

Vom gesetzlichen Umgang mit dem ältesten Gewerbe der Welt

Europa ist ein Flickenteppich, was den gesetzlichen Umgang mit dem ältesten Gewerbe der Welt angeht. Die rechtliche Stellung der Prostitution variiert von strafrechtlicher Verfolgung (u. a. Russland, Litauen, Rumänien, die ex-jugoslawischen Republiken) bis hin zu voller Legalität (Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande, Griechenland, die Türkei).

... In jedem Fall verbirgt sich hinter solchen Zahlen unglaublich viel individuelles Leid. Der organisierte Menschenhandel entbrannte in Europa nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und ganz besonders nach dem Beginn des jugoslawischen Bürgerkriegs. Dass es mitten in Europa ein solch gewaltiges Ausmaß an moderner Sklavenhaltung gibt, ist mehr als beschämend. ...


... Dass der hehre Wunsch, den Menschenhandel in Deutschland per Gesetz einzudämmen, gescheitert ist, bestätigt auch eine neue von der Europäischen Kommission finanzierte Studie. Forscher ... haben darin die Auswirkung legaler Prostitution auf den Menschenhandel untersucht und festgestellt, dass es in Ländern mit liberalen Prostitutionsgesetzen wie Deutschland vergleichsweise mehr Menschenhandel gibt. Nach den Autoren ... führt die Legalisierung der Prostitution zu einer wachsenden Nachfrage und somit zu einer Ausweitung des Marktes:

"In Deutschland, wo Prostitution legal ist, ist der Markt 60-mal größer als in Schweden [...]. Gleichzeitig hat Deutschland rund 62-mal so viele Opfer von Menschenhandel wie Schweden, obwohl die Bevölkerung weniger als zehn Mal so groß ist." ...


... Das Verhältnis zwischen Staat und Individuum sei in Schweden "kommunitär" organisiert[...]. Der Staat steht "für kollektive moralische Prinzipien und entscheidet, welche Lebensentwürfe erstrebenswert sind."

Dem stehe - mit Blick auf Deutschland und andere - das "Autonomieprinzip" gegenüber: Der Staat bleibt neutral gegenüber den Lebensentwürfen der Bürger und greift nur ein, wenn einer dem anderen in die Quere kommt. ...


Wie aus den Daten der EU-Kommissionsstudie ersichtlich, soll Schweden zumindest erfolgreicher darin sein, Menschenhandel zu unterbinden. ... dass es in Schweden auch vor dem Sexkaufverbot vergleichsweise wenig Prostitution gab. Deutschland ist in Europa schon seit Anfang der 90er-Jahre ein Drehkreuz für Menschenhandel, was vor allem geopolitische Gründe hat und nicht auf das Sexkaufverbot zurückzuführen ist. Schweden hat auch vor Inkrafttreten dieses Verbots im Vergleich zu Deutschland nur eine untergeordnete Rolle im internationalen Menschenhandel gespielt. ...

Und wo bleibt die Moral?

Von der Menschenwürde ist der Schritt zur Moral nicht weit. In einer Demokratie muss ein gewisses Maß an Toleranz gegenüber unterschiedlichen Moralvorstellungen vorhanden sein. Ob man in einer durchkapitalisieren Welt auch für Sex Geld ausgeben darf oder nicht, ist solch eine Streitfrage.

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Quelle: www.deutschlandfunk.de
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Es bedanken sich: arno_nym


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RE: Politische Diskussionen und Entscheidungen - von Wanker - 12.04.2014, 15:20