Der Scout-Tipp des LSH - Fußball-Diskussion

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FUSSBALL: Geld stinkt nicht

Ein Bordell als Sponsor des namhaftesten Vereins der Stadt versetzt Göttingen in Aufregung

GÖTTINGEN - In der niedersächsischen Unistadt Göttingen diskutiert die Sportlerfamilie ein heißes Thema. In unmittelbarer Nachbarschaft zum erzkatholischen Eichsfeld geht es um eine Frage von Fußball und Moral. Göttingen 05, der namhafteste Verein der Stadt, lässt sich aus dem Rotlichtmilieu sponsern. Ist es in Ordnung, wenn Scheine aus einem Bordell den Kickern Beine machen? Löst in Zeiten der Wirtschaftskrise womöglich das älteste Gewerbe der Welt neureiche Investoren als Gönner ab?
Dass ein Fußballclub unter der Hand ein paar Euro aus der Erosbranche zugesteckt kriegt, ist schon vorgekommen. Dass allerdings ein Verein seine Liaison zu einem Sauna- und Nachtclub, in diesem Fall mit dem nur einen Flankenball vom Vereinsgelände entfernten „Chateau“, öffentlichkeitswirksam auf der Homepage kundtut, ist die Ausnahme. Das Freudenhaus-Logo prangt auf der Website des Sechstligisten. Direkt über dem Banner der örtlichen Sparkasse, was das Kreditinstitut als „eher unglücklich“ empfindet.
Der RSV 05 verteidigt das Zusammenspiel mit dem Etablissement. Da sei „nichts Anrüchiges oder Verwerfliches“ dabei, rechtfertigte sich der Vorsitzende Burkhard Bartschat gegenüber der Lokalpresse, die täglich über das Thema berichtet. Auch die einflussreichen Fans des Klubs, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung engagieren, stärken der Vereinsspitze den Rücken und teilten mit: Beim „Chateau“ könne von Zwangsprostitution nicht die Rede sein. Also sei nichts Grundsätzliches einzuwenden gegen das Logo auf der Homepage, Bandenwerbung und Anzeigen ohne nackte Haut im Stadionheft. Leicht bekleidete Nummerngirls zu Beginn der Spielhälften sind schließlich nicht geplant.
Häme und Spott sind dem Fußballverein indes gewiss. Erste Kostproben gab es beim jüngsten Freundschaftsspiel, zu dem der Göttinger Bezirksoberligist die Nationalmannschaft aus Kuba zu Gast hatte. „Seid Ihr jetzt Spezialisten für Lattenknaller?“, „Konkurriert Ihr um die schönsten Fankurven Deutschlands?“ oder „Kriegen Eure Herrenspieler Freikarten für das Chateau?“, frotzelten Zuschauer.
„Mit diesen Sprüchen müssen und können wir leben, das ist doch alles mit einem Augenzwinkern“, sagt RSV-Teammanager Jan Steiger. Er hat den Kontakt mit den nachtaktiven Nachbarn, die einen „ordentlichen Betrag“ herüberreichen, hergestellt. „Massive Probleme im Sponsoring“, sagt er, „sind der Grund gewesen.“ Für den ambitionierten Fußballverein, der zu Beginn der 1980er in der 2. Liga spielte, sei es im Schatten des Basketball-Erstligisten MEG Göttingen nicht leicht, Geldgeber zu finden.
Dass die neue Partnerschaft zum Bordell im Widerspruch zum Engagement mit den etwa 700 Jugendlichen im Verein steht, will Bartschat nicht so sehen: „Das ist unproblematisch. Dann müsste man Kindern auch verbieten, Zeitungen aufzuschlagen.“ Schließlich werbe das „Chateau“ ja auch in regionalen Blättern. Die örtliche Rathausfraktion der Linken sieht das anders. Die Grenzen des Sponsorings seien auch mit Blick auf jüngste Diskussionen um so genannten Flatrate-Sex überschritten. Förderungen der Sparkasse und der Stadt sollten eingefroren werden, fordert sie.
Der Fußball-Verband kann dem RSV 05 Göttingen die Beziehung zum horizontalen Gewerbe jedenfalls nicht verbieten. Er ist zwar für die Genehmigung von Trikotwerbung zuständig, nicht aber für das Absegnen von Sponsoringverträgen. Es bleibt also eine Frage von Ethik und Moral. Nach einer Umfrage des „Göttinger Tageblatts“ sind derzeit zwei Drittel der Teilnehmer der Meinung: Sponsoring aus dem Rotlichtmilieu ist in Ordnung. Geld stinkt bekanntlich nicht. (Von Christian Ernst)