Datenschutz und Demokratie
...Fortsetzung

Zitat:
Dies greift in das von der Bundesregierung unter dem Siegel “Anti-Terror-Camp” beschlossene bundesdeutsche “Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten“, welches am 28.Mai vom Bundesparlament verabschiedet wurde. Dazu hatte bereits im Januar die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) erklärt (3) :
[INDENT]“Der Entwurf missachtet die Grenzen des Strafrechts. Das Strafrecht dient dazu, Handlungen mit Sanktionen zu belegen, die Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens verletzen. Gedanken und Gesinnungen bleiben für sich genommen straflos, auch wenn sie moralisch verwerflich sind…Das ist nicht weniger als das Gedankenverbrechen (”thoughtcrime”) aus Orwells 1984..
Damit geht es im Ergebnis darum, Ermittlungsbefugnisse zu gewinnen, um tatsächliche oder vermeintliche Gefahren terroristischer Aktivitäten schon weit im Vorfeld erkennen zu können. Dafür wäre aber das Polizeirecht zuständig und das Recht der Nachrichtendienste. Der Bundesinnenminister versucht, sich zweckwidrig im Strafrecht das zu holen, was er sich im Polizeirecht und für die Nachrichtendienste wünscht – wohl wissend, dass er es dort aus guten Gründen nicht ohne weiteres bekäme..
Der Entwurf beruft sich auf vermeintliche Bedürfnisse der Sicherheitsbehörden, die im einzelnen noch nie öffentlich aufgelistet und nachvollziehbar begründet worden sind. Man beruft sich auf Erfahrungen aus dem Vorgehen gegen die Kofferbomber von Köln und die Sauerlandgruppe. Es wird aber nicht einmal der Versuch gemacht darzulegen, inwiefern die geplanten Gesetzesänderungen den Sicherheitsbehörden in jenen Fällen genützt hätten. Es ist auch nicht erkennbar, dass dies der Fall gewesen wäre.”
[/INDENT]Wie wir alle wissen, waren die sozialdemokratischen Juristinnen und Juristen seit Januar so empört und entschlossen diesen Wahnsinn der eigenen Parteiführung aufzuhalten, dass man seither jeden Tag etwas von ihnen hörte. Es wurde nicht der Akademiker-Schwanz eingezogen. Es wurde nicht einfach wieder die Schnauze gehalten. Man hatte sein Möglichstes getan: nichts, aber immerhin vorher nochmal drüber geredet.
Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), sowie Bundesjustizmininisterin Zypries (SPD), sie hatten jedenfalls die Rufe Seit an Seit irgendwie überhört. Beide drangen nämlich darauf, das Gedankerverbrecher-Gesetz zur “Vorverlagerung der Strafbarkeit” so bald wie möglich zu verabschieden (4).
Auch die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg war sich des grössten Fehlers der Weimarer Republik wohl bewusst: man hatte schon immer begriffen, dass sie von der eigenen Regierung aufgelöst worden war und diesen Schwachsinn von den “Extremen” (nie an der Regierung), “Gefährdern” (erst recht nie an der Regierung), “Abwehr” (besonders nie vor der Regierung) schon immer als Obrigkeitsgeschwafel und Ammenmärchen für verblödete Untertanen entlarvt. Daher sagte man dann auch nach dem Beschluss des Bundestages, man habe bereits vorher zweimal “Bedenken” gehabt (5):
[INDENT]“Die BRAK hatte sich bereits mit der BRAK-Stellungnahme-Nr. 46/2008 kritisch zum Referentenentwurf des Gesetzes und mit der BRAK-Stellungnahme-Nr. 13/2009 ebenso ablehnend zu dem Entwurf der Bundesregierung geäußert. Sie wandte sich insbes. gegen die Abkehr vom Tatstrafrecht, das Grundlage des deutschen Strafrechts ist, hin zu einem Täterstrafrecht, das „böse Absichten“ des Täters unter Strafe stellt und bezeichnete die Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Stadium des strafbaren Versuchs als bedenklich
[/INDENT]Sogar dem Bundesrat könnte man in der Bundesregierung eigentlich “böse Absichten” zur Sabotage bei der Rettung des Berliner Homelands unterstellen und ihn zwecks präventiven Zurückschiessens gegen Volksfeinde auseinandertreiben lassen. Die Länderregierungen hatten es nämlich ebenfalls gewagt, nicht nur Mandate, sondern auch einmal “Bedenken” vor sich her zu tragen (2):
[INDENT]“Zum einen wird eine „besondere Relevanz“ der Daten gefordert, ein unbestimmter Rechtsbegriff, der auch nicht weiter definiert wird. Zum anderen wird der Übermittlungszweck nicht hinreichend präzisiert, sondern pauschal auf „die Zwecke dieses Abkommens“ verwiesen.
Außerdem gilt die Sonderregelung des Artikels 12 nicht für Datenübermittlungen nach Artikel 5 und 8 (vgl. Denkschrift des Abkommens, S. 14), sondern bezieht sich ausschließlich auf Spontanübermittlungen nach Artikel 10. Die Spontanübermittlung ist aber wegen ihres besonderen Charakters ausdrücklich nur auf den Zweck der Verhinderung terroristischer Straftaten begrenzt. Diese Zweckbeschränkung geht nicht aus Artikel 12 hervor.
Schließlich sind auch die in Artikel 12 aufgezählten Datenkategorien zu weit gefasst. Diese entsprechen zwar dem Standardkatalog der allgemeinen Daten- schutzgesetze (vgl. § 3 Absatz 9 BDSG). Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass die Zweckbestimmung dieser Gesetze wesentlich breiter gefasst ist. Artikel 12 zielt dagegen ausschließlich auf einen konkreten Zweck ab, nämlich die Verhinderung terroristischer Straftaten nach Artikel 10. Insoweit ist festzustellen, dass zu dem konkreten Zweck der Verhinderung terroristischer Straftaten eine Übermittlung von Daten über die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft unter keinem Gesichtspunkt von Relevanz sein kann. Auch die Übermittlung von Daten über die Gesundheit bzw. das Sexualleben ist vor diesem Hintergrund bedenklich
[/INDENT]Man hätte jetzt auch einfach schreiben können:
[INDENT]“Leute, Ihr könnt nicht einfach machen was Ihr wollt. Und wenn, dann müsst Ihr wenigstens vorher offiziell den faschistischen Polizeistaat ausrufen, dann haben die Leute wenigstens begriffen, aha, das hatten wir schon, da war nicht alles schlecht, könnte man mal wieder machen. Aber so fällt das irgendwie auf, sogar uns, obwohl wir Euch doch jahrelang bei jedem Terror-Buhei aus Sauer- und Morgenland hinterhergelaufen sind.”
[/INDENT]Aber das wäre vielleicht ein bisschen zu schmissig gewesen.
So wartete man dann im Bundesrat in Ruhe die Antwort der Bundesregierung ab, die sich wieder einmal hinter sich selbst stellte und die Situation auch sofort in den Griff bekam. Die äusserst beruhigende Antwort der Merkel-Steinmeier-Administration, in ihrer vollen Länge und intellektuellen Grazie (6):
[INDENT]“Die Bundesregierung nimmt zu dem Vorschlag des Bundesrates wie folgt Stellung:
Das Bundeskriminalamt verfügt über langjährige Erfahrungen im Bereich des internationalen Datenaustauschs. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ausreichend sensibilisiert, was den Umgang mit besonders sensiblen personenbezogenen Daten anbelangt. Durch Artikel 12 des Abkommens wird die Aufmerksamkeit im Hinblick auf den erforderlichen vorsichtigen Umgang mit solchen Daten nochmals geschärft. Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung einer gesonderten Kontrollinstanz aus Sicht der Bundesregierung nicht erforderlich, zumal das Bundeskriminalamt bereits heute sensible personenbezogene Daten an ausländische Stellen übermitteln kann, ohne dass hierüber eine zusätzliche Kontrollinstanz entscheidet (s. § 14 BKAG).”
[/INDENT]Ist das nicht schön, eine so sensible Regierung zu haben? Und dann all die sensiblen Geheimdienste, die sowieso schon sensibel alles an andere gefühlvolle Spione weitergeben, was ihnen gerade passt.
Irgendwie ist das mit der Gewaltenteilung schon eine sehr, sehr unsensible Sache. Im Grunde genommen macht sich das Grundgesetz schon schuldig. Es äussert einen total unsensiblen Generalverdacht gegen den Staat, sich potentiell wie ein solcher aufzuführen. Im Grunde genommen ist die Verfassung schon eine Gefährdung der Gefahrenabwehr für den Bürger vor sich selbst.
Aber auch immer noch eigenständige Justizministerien, die im Zuge der seit 1999 ablaufenden 5-Jahrespläne der EU namens “Tampere Programm”, Haager Programm” und “Stockholmer Programm” (7) zwecks Transformation der EU-Mitgliedsstaaten zu Überwachungsstaaten und Diktaturen immer noch nicht mit den Innenministerien zusammengelegt worden sind, können – hi und da, wenn sie mal wach sind – Ärger, Unruhe und emotionale Störungen in der Bevölkerung verbreiten.
Wie heute z.B. der grüne Justizsenator Hamburgs, Till Steffen (GAL). Er äusserte zum präventiven Datentausch-Abkommen der Bundesregierung gegen undefinierte Verbrechen die einmal begangen werden könnten (8):
[INDENT]“Es definiert..nicht, was schwere Straftaten sind. Es gibt den Betroffenen kein Recht auf Auskunft, Berichtigung oder Löschung von Daten. Es gibt keinen Rechtsschutz. Das ist unhaltbar.”
[/INDENT]Aber Justizsenator Steffen tat auch etwas anderes, ausser besorgt. Er nutzte tatsächlich zum ersten Mal in 60 Jahren Geschichte der Republik ein wichtiges legislatives Recht, wenn auch für die Exekutive. Steffen legte als zuständiges Mitglied der Landesregierung Hamburgs in der Länderkommission sein Veto gegen dieses Abkommen der Bundesregierung ein und schuf damit einen “Präzedenzfall”. Seit heute weiss man, dass es diese Option der Landesregierungen gegen Massnahmen aus Berlin seit 60 Jahren gibt und nie genutzt wurde.
Jetzt hat die sensible Bundesregierung und ihr ebenso sensibler Bundestag, am morgigen Freitag genau zwei Möglichkeiten: entweder sie brechen schon wieder vor aller Augen die Verfassung, fahren mit Volldampf noch mal gegen Karlsruhe, verlieren noch mehr Wähler und fliegen nach der Bundestagswahl alle raus aus ihren Ämtern, weil selbst die eigenen “Parteien” noch einmal 4 Jahre solch sensibler Regierungsführung nicht mehr mitmachen, oder sie kriechen jetzt schon zu Kreuze und lassen das mal mit diesem Abkommen.

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gekürzt, wegen Zeichenbeschränkung
Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen.
(Franz Kafka)
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