Wir Waren Noch Helden!

[tylerdurden]

Auch wenn der Bericht alt ist und Metallfan zur Zeit nicht aktiv : Das ist mit das Beste, was ich hier bisher gelesen habe

Greetz

Tyler

Als dazu muss ich mir noch etwas überlegen. Ich sah diesen Text bei meinem letzten Besuch bei Susi auf dem Tisch liegen, wurde aber am Durchlesen dann von Dalitta gehindert. War eine gute Einstimmung, die ich aber auch schon kannte.

Was mir einfällt: Wir durften uns noch dreckig machen! Denn es gab Ariel und Persil. Und das war kein Spaß für meine Mutter, die Packungen aus dem Dorf nach Hause zu schleppen mangels Auto. Trotzdem bekam ich immer wieder saubere Klamotten, mit denen ich nichts Besseres zu tun hatte als wieder auf den benachbarten Schrottplatz zu gehen um Kugellager zu knacken. Die Stahlkugeln waren dann unsere Murmeln, ich besitze sie heute noch.

Wir haben "Kloschüsseln" gebaut und reingepisst und dann wieder abgebaut und was Neues draus gemacht. Wir haben am Bach Dämme mit viel Kuhscheiße gebaut. Und wir sind dabei in einer Art gesund geblieben dass es mich heute noch wundert, denn wir waren gegen Dreck und Bakterien resistent. Dafür benutzten wir aber weder Sakrotan noch andere Desinfektionsmittelchen, die heute die gängigen Hautkrankheiten letztenendes auslösen. Denn wir hatten Wasser und Seife und eine Wurzelbürste für die Fingernägel.

Einen Kindergarten habe ich nie gesehen,dafür gab es im Sommer die Heuernte mit abends dicker Leber- und Blutwurst und im Herbst die Getreideernte, bei der unter lautem Fluchen alle anpackten und sich abends bie Bier und Zitronenlimo (für mich, lecker) gemeinsam über das Geleistete freuten.

Mit meinem Grundschullehrer habe ich mich nur gezofft und rote Briefe nach Hause bekommen. Erstaunlicherweise lernte ich trotzdem Lesen und Schreiben.

Ich habe die Katze der Nachbarin in eine Jauchepfütze geworfen und die ist dann geschockt durch die Wohnung der Nachbarin gerannt. Das hatte Konsequenzen, aber ich blieb trotzdem "de gudde Bu" der Nachbarin, weil die Menschen nämlich noch nicht nachtragend waren und Dinge ausgeprochen wurden, dann waren sie erledigt.

Was wir aber auch hatten:

Wir hatten eine engmaschige soziale Kontrolle im Dorf. Wenn da einer fremd ging war das am nächsten Tag überall duch. Männer konnten mit Bewunderung, Frauen mit der totalen Verachtung rechnen.

Umgekehrt gab dieses Umfeld den Menschen Halt, da sie Normen hatten an denen sie sich festhalten konnten. Wer diese Normen verließ ist meist gescheitert. Daran hat die Gesellschaft dann auch durch die soziale Ausgrenzung kräftig mitgewirkt.

Und wem diese Aufstellung wie eine Beichte klingt, ja die hatten wir auch noch. Und da mussten wir hin, damit der Spanner jenseits des Vorhangs auch seinen Spaß hatte. Und so bin ich in einem Umfeld groß geworden, das mich Sexualtät als verwerfliches Werk des Teufels gelehrt hat. Und dafür könnte ich heute kotzen.

Sehnsucht nach dieser "guten alten Zeit"? Nein, nicht wirklich. Es sind nur Erinnerungen. Ich weiß wo ich herkomme und kann damit mein heutiges Leben definieren. Ich möchte alles, aber bloß nicht mehr heute in diese Umfeld hineingeboren werden. Jede Zeit hat ihre Probleme und benötigt ihre eigenen Problemlösungen. Wer weiß, was die jetzt heranwachsende Generation über ihre Jugend schreiben wird. Nachdenklich stelle ich mir vor:

Dass sie mit den Handys Schulden gemacht haben, die sie nicht bezahlen konnten. Dass die Jungs dann gedealt haben. Dafür haben die Mädels dann angefangen anzuschaffen und es gab Foren, in denen sich Freier die besten Tips über die besten Mädels austauschten, um die jüngsten gailsten und besten Bläserinnen wegzuficken. Die Typen in diesen Foren sagten, sie waren noch Helden.

Ja, wir sind wirklich Helden!

Metallfan