Aus der Zeit: "Sex? Ohne uns!"
Sex? Ohne uns!

Kann es normal sein, einfach kein Interesse an Sex zu haben? Und das nicht nur für ein paar Tage oder Wochen, sondern jahrelang? Sein ganzes Leben? Ja, es ist normal, sagen nicht nur all jene Menschen, die freiwillig – und glücklich – enthaltsam leben, sondern nun auch Experten, die Asexualität als neue sexuelle Orientierung anerkennen

Von Merle Hilbk

Vielleicht ist es kein Zufall, dass ausgerechnet in diesem Jahr ein Zitat des dänischen Nationaldichters Hans Christian Andersen Schlagzeilen machte: »Es ist ein Widerwillen gegen diese Dinge in mir, gegen die sich meine Seele so sträubt.« Mit diesem Satz bekannte sich Andersen öffentlich zu seiner Lustlosigkeit – und brach damit Ende des 19. Jahrhunderts ein Tabu, das da hieß: Ein Mann hat Lust zu haben, weil der Beischlaf zum Menschsein gehört wie das Atmen oder das Essen. Damit war Andersen einer der ersten bekennenden Libidolosen der Welt. In Deutschland war es lange Zeit Gesetz, dass ein verheirateter Mann von seiner Frau den Vollzug der Ehe einfordern konnte. Weigerte sie sich, galt das als Scheidungsgrund. Sich der Fleischeslust zu entziehen, das ging nur aus religiösen Gründen, sonst galt es als anormal.

An dieser Einstellung zur Lustlosigkeit hat sich bis heute nicht viel geändert. Im Gegenteil: Wer trotz sexueller Revolution, trotz Schwulenbewegung und der ständigen Präsenz von nackten Körpern in den Medien, trotz der Angebote von Seitensprung-Agenturen, Swinger-Party-Veranstaltern und Sado-Maso-Websites gesteht, dass er kein Interesse am Geschlechtsverkehr hat, wird schnell als verklemmt oder gar als Fall für den Psychologen eingestuft.

Doch nun, im Andersen-Jubiläumsjahr, hat sich eine große Gruppe von Menschen zusammengefunden, die, ähnlich wie der Autor der Kleinen Meerjungfrau, auf geschlechtliche Betätigung verzichten – nicht aus moralischen Gründen, sondern schlicht, weil sie nicht wollen. Es sind mehr als 2000 Gleichgesinnte, die nun im Internet, in Zeitungen und im Fernsehen bekennen, was sie empfinden, wenn sie an Cunnilingus und Fellatio, Missionarsstellung oder Analpenetration, an den schnellen Akt im Fahrstuhl oder die lange Nacht im Ehebett denken: nichts. Und diesem »Nichts« nun auch einen Namen gegeben haben: Asexualität.

Den meisten von ihnen geht es freilich nicht um kämpferische Aktionen, sondern darum, für sich selbst akzeptieren zu lernen, was in einer sexualisierten Gesellschaft immer noch als unnormal gilt: keine oder wenig Lust auf Sex zu haben. Und sich darin gegenseitig zu unterstützen. Menschen wie Kati und Mauricio, wie Anja und Sven, die sich in einem Internet-Forum namens Aven (Asexuality Visibility and Education Network, Netzwerk für die Sichtbarkeit von und Aufklärung über Asexualität) kennen gelernt haben, das seit ein paar Monaten auch im deutschsprachigen Netz zu finden ist.

»Es ist nicht einfach, sich in einer Gesellschaft zu bewegen, in der sich alles um Lust dreht und Pillen wie Viagra ewige Potenz versprechen«, sagt Kati, 28, Anglistik- und Informatikstudentin aus Berlin und Mitbegründerin der deutschen Aven-Website. Bereits in der Schule sei ihr klar gewesen, dass sie »irgendwie anders« war als ihre Klassenkameradinnen. »Die haben ständig geflirtet und sind mit 15 zum Frauenarzt gerannt, um sich die Pille verschreiben zu lassen.« Kati war im Orchester, fand dort Freunde, las viel und konnte nicht verstehen, was es war, das die anderen so faszinierte. Nicht, dass sie etwas vermisste – »wenn man etwas nicht kennt, hat man auch nicht das Gefühl, etwas zu verpassen« –, aber sie fühlte sich als Außenseiterin. Nach dem Abitur analysierte sie ein Therapeut: Dreieinhalb Jahre lang mehrmals in der Woche Gespräche über die Ängste und Probleme, die sie damals hatte: nicht zu genügen, nicht so angenommen zu werden, wie sie war. Ein paar Mal erzählte sie auch von ihrer Lustlosigkeit, doch »die stand in den Gesprächen nie im Vordergrund«. Die Ängste wurden kleiner, die Lustlosigkeit blieb. »Ehrlich gesagt hatte ich auch nie das Gefühl, dass sie mein Problem war. Sie war einfach da, war ein Teil meiner Persönlichkeit, den ich irgendwie akzeptiert habe.«

Mit 23 verliebte sie sich. »Das lief nicht anders als bei anderen auch: Man sieht jemanden, liebt seine Gedanken und seine Träume, fühlt sich wie magisch angezogen, will von ihm berührt, in den Arm genommen werden.« Nur Sex – das wollte sie nicht. »Ich wusste einfach, dass ich das Zusammen-Schlafen generell nicht mag, dass es mich sogar ein bisschen ekelt. Auf jeden Fall denke ich, dass man Intimität auch anders ausdrücken kann.« Er habe das akzeptiert, obwohl er »Sexualität eigentlich sehr mochte. Aber ich habe ihm erklärt, dass es nicht an ihm liegt, dass ich keine Lust habe.«

Dass sie ihrer Lustlosigkeit einen Namen geben konnte, hatte Kati ihrer besten Freundin zu verdanken, der sie eines Abends erzählte, wie es um sie stand. »Na, dann bist du halt asexuell!«, hatte die Freundin knapp kommentiert.

Zuerst war Kati verblüfft, dann hatte sie sich an ihren Computer gesetzt und »asexuality« und »low sexual desire« gegoogelt, auf Englisch, denn »in Amerika gibt es oft doch schon Sachen im Netz, worüber in Deutschland noch gar nicht geredet wird«. Nach ein paar Klicks stieß sie auf das 2001 in St. Louis gegründete Aven-Forum, wo sie zum ersten Mal eine Definition für das entdeckte, was ihre Freundin spontan als »asexuell« bezeichnet hatte: Asexuell ist jeder, der sich selbst so empfindet.

Diese Definition scheint geradezu perfekt in eine Zeit zu passen, die der Frankfurter Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch, einer der Pioniere der deutschen Sexualmedizin, als Epoche der »Neosexualitäten« bezeichnet: Geschlechtliche Empfindungen, zuvor »mangels anderer Raster stets einem der drei scheinbar monolithischen Blöcke der Hetero-, der Homosexualität oder der Perversion« zugerechnet, definieren nun selbst Lebensstile – ein Prozess »narzisstischer Selbsterfindung«. Da hilft Aven mit Denkmuster-Beispielen auf die Sprünge:

– Triebe zu verspüren, aber keine körperliche Anziehung zu anderen Menschen; sich zwar vorstellen zu können, dass Sex sich »auf einer rein biochemischen Ebene vielleicht gut anfühlen würde, aber nicht auf den Gedanken zu kommen, ihn mit einem Partner zu praktizieren«, und zu denken: »Klar, es würde sich vielleicht auch gut anfühlen, sich zum ersten Mal Heroin zu spritzen, aber im Moment habe ich bessere Sachen zu tun.«

– Eine Form von sexueller Anziehung durch andere Männer oder Frauen zu verspüren, aber kein Bedürfnis, dieser zu folgen: »Ja, ich liebe dich, aber warum in aller Welt würden wir das machen wollen?«

– Sexualtrieb und emotionale Anziehung zu anderen nicht zusammenbringen zu können. Masturbation als durchaus angenehm zu erleben, aber nicht auf die Idee zu kommen, Sex mit einem Partner zu haben.

– Oder sich schon vor dem Gedanken an Geschlechtsverkehr zu ekeln und keine Anziehung durch andere Menschen zu empfinden. Im Zusammenhang mit tieferen emotionalen Beziehungen mit Freunden oder Partnern nicht von »Anziehung« zu sprechen, sondern von »Interesse«.

Dass Asexualität mittlerweile öffentlich diskutiert wird, ist einem 22-jährigen Amerikaner zu verdanken, der sich selbst wegen seiner Lustlosigkeit lange als Außenseiter gefühlt hatte: David Jay, jung, ziemlich gut aussehend, aus dem amerikanischen Süden, der mit Frauen tatsächlich einfach nur reden wollte. Bevor er Aven gegründet habe, sei es nahezu unmöglich gewesen, seiner Umwelt klarzumachen, dass mit ihm alles stimme, sagt er. Er selbst habe sich »völlig normal« gefühlt, sei aufs College gegangen, habe Freundschaften geschlossen wie alle anderen auch. Nur dass diese Umgebung ihn nicht ebenso als normal einschätzte, das habe ihn gestört.

Jay, kämpferisch und nicht öffentlichkeitsscheu, beschloss, sein Stigma in eine Berufung zu verwandeln: Er gründete Aven und baute die Website von einer reinen Informationsbörse zu einem Forum aus, mit dem er der Welt beweisen wollte, dass Asexualität ebenso natürlich ist wie Homo- oder Bisexualität. Forumsbesucher konnten T-Shirts mit Aufdrucken wie »No sex, please« und »A-Pride« bestellen, Jay lud Journalisten zum Interview. Nach zwei Jahren hatte Aven 1500 Mitglieder – und wurde zum Sprachrohr einer Bewegung. Auch ein Beitrag im renommierten Wissenschaftsblatt New Scientist von diesem Frühjahr geht auf seine Initiative zurück.

Asexualität ist kein neues Phänomen. Neu ist nur die Verwendung des Begriffs«, sagt der Hamburger Sexualforscher Gunter Schmidt, der sich am Universitätsklinikum Eppendorf seit Jahren mit den medizinischen und psychologischen Ursachen von Lustlosigkeit beschäftigt. »Schon Alfred Kinsey hat Ende der 50er Jahre in seinen Studien bewiesen, dass es in der Bevölkerung einen kleinen Prozentsatz an Menschen gibt, die eine geringe Libido haben – genauso, wie es einen kleinen Prozentsatz derjenigen gibt, die immer Lust haben«, erläutert Schmidt. Kinsey betonte schon damals, dass die Kategorien »normal« und »anormal« in der Diskussion über Sexualität eigentlich unangebracht sind. Schwul und bisexuell zu sein oder sadomasochistische Spiele zu lieben sei inzwischen gesellschaftlich akzeptiert, nicht zuletzt, weil sich so viele öffentlich dazu bekannt haben. Wer keine Lust habe, hat das bisher meistens mit sich oder seinem Partner allein ausgemacht. Schließlich gab es keine öffentliche Debatte über das Thema. »Debatten gibt es meist erst dann, wenn etwas als gesellschaftliches Problem aufgefasst wird«, sagt Schmidt. Die jetzige werde befördert von der Möglichkeit, im Internet Gleichgesinnte zu finden.

(Teil 1)

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(Teil 2)

Aven war nicht die erste Asexuellen-Website. Bereits Ende der 90er Jahre tauchten im Internet Seiten auf, auf denen Menschen über ihre geringe Libido berichteten: Private Homepages oder Vereinsseiten von Gruppen wie den Leather Spinsters (Lederne Jungfern), die sich für ein »asexuelles Leben ohne Schuldgefühle und sozialen Druck« einsetzten. In den Niederlanden gründete die Theater- und Filmstudentin Geraldin van Vilsteren, die als Kabarettistin für Asexualität wirbt, das »Nonlibidoism«-Forum. Yahoo richtete das Diskussionsforum The Haven for the Human Amoeba (Die Zuflucht für die menschliche Amöbe) ein – eine Anspielung: Bis dato landeten Surfer nur auf Websites mit Amöben und Pflanzen, wenn sie »asexuell« als Suchwort eingaben. Die Vermehrung von Einzellern – das war der einzige Forschungsbereich, der das Wort »Asexualität« verwandte.

Die erste Studie über Asexualität beim Menschen wurde erst Anfang dieses Jahres publiziert. Anthony Bogaert, Psychologe und Sexualitätsforscher von der Brock-Universität im kanadischen St. Catherines, errechnete anhand einer 1994 in England durchgeführten allgemeinen Befragung zu sexuellen Gewohnheiten die ungefähre Verbreitung von Asexualität. Ergebnis: Mehr als ein Prozent der 18 000 Befragten hatten ausgesagt, dass sie sich »noch nie von irgendjemandem sexuell angezogen gefühlt haben«.

»Noch nie«, »nicht« oder »niemals«? Da nach der Aven-Definition jeder asexuell ist, der sich so fühlt, zählt auch dazu, wessen Libido sich nur temporär verabschiedet hat. Nach Alfred Kinsey ist Sexualität nichts Festgelegtes, nichts, was man sein ganzes Leben lang ist, egal, ob man sich nun gerade als hetero-, homo-, bi- oder asexuell definiert. Demnach kann man sich auch eine Zeit lang asexuell fühlen und dann plötzlich doch seine Lust entdecken. Wissenschaftliche Erklärungen, warum das so ist, gibt es kaum. Denn Asexualität wird bisher nicht als sexuelle Orientierung, sondern allein als Begleiterscheinung von körperlichen Leiden wie Diabetes und Durchblutungsstörungen, als Folge von Depressionen, Traumata und Stresserkrankungen gesehen – und entsprechend therapiert.

»Asexualität war lange nur ein Stichwort in der Psychologie und der katholischen Religion«, sagt Elizabeth Abbott, Historikerin und Dekanin des Trinity College der Universität Toronto. Auf ihr Buch Die Geschichte des Zölibats hin gestanden ihr zahllose Menschen, ähnlich wie Priester keinen Sex zu haben, nur freiwillig. »Mir haben Ehemänner und Ehefrauen geschrieben, die sich einem so starken Druck durch die extrem sexualisierte

Gesellschaft ausgesetzt fühlten, dass sie sich lieber versteckt haben. Die meisten hatten niemanden, mit dem sie sprechen konnten.«

Das Desinteresse der Wissenschaft liegt an der mangelnden Brisanz des Themas. »Gesellschaftliche Beunruhigung erzeugen doch in erster Linie Probleme, die durch sexuelle Betätigung entstehen – wie beispielsweise sexuell übertragbare Krankheiten und Teenagerschwangerschaften«, erklärt John DeLamater, Sexualitätsforscher an der amerikanischen Universität von Wisconsin in Madison. »Und dahin fließen natürlich dann auch die Forschungsgelder.«

Zudem ist Ursachenforschung schwierig. Es mangelt an einem einheitlichen Erklärungsmodell für die Entstehung von Lust, zwischen den Disziplinen wie innerhalb. Klar nachgewiesen wurde in Tierversuchen bisher allein, dass Begehren und sexuelle Erregung unabhängig sind vom Mechanismus des Paarungsaktes. Selbst Ratten mit betäubten Penissen versuchten weiterhin, Weibchen zu begatten. Lust und das Bedürfnis sich fortzupflanzen haben also, wie der Biologe Jean-Didier Vincent in seiner Biologie des Begehrens schreibt, nicht unmittelbar etwas miteinander zu tun. Beides befriedigt unterschiedliche Bedürfnisse, was auch der Wunsch vieler Asexueller nach Kindern unterstreicht.

Fest steht darüber hinaus, dass Lust etwas Unspezifisches ist. Das heißt: Die elektrochemischen Prozesse im Körper sind bei der Lust auf Essen, Trinken und Sex ähnlich. Der entsprechende Schlüsselreiz – Hähnchenduft, die Farbe eines Bordeaux, eine nackte Frauenbrust – steuert dann, wie diese zunächst unspezifische Lust befriedigt wird. Wie stark dieser Schlüsselreiz sein muss, hängt von der Situation ab, in der sich ein Mensch befindet – und vor allem von seinen Gewohnheiten, Erfahrungen, Prägungen. Der eine wird schon vom bloßen Anblick eines blanken Dekolletés erregt, ein anderer muss es zumindest berühren. Den Dritten lässt selbst das kalt.

Warum? Auf diese Fragen haben bislang weniger Biologen als Gesellschaftswissenschaftler geantwortet. Doch bisher sind die meisten ihrer Thesen ziemlich spekulativ, begründen eine geringe Libido einerseits als Folge einer neuen sexuellen Offenheit, andererseits als Ausdruck des Überdrusses einer sexualisierten Gesellschaft. Sexualität habe einen Strukturwandel durchgemacht, schreibt der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch in seinem soeben erschienenen Buch Neosexualitäten. Sie sei heute nicht mehr »die große Metapher des Rausches, der Revolution, des Fortschritts und des Glücks«, sondern habe sich in »viele kleine Sphären, Bereiche, Orientierungen aufgespalten«, die gesellschaftlich akzeptiert und wirtschaftlich ausgeschlachtet würden. Dabei seien Freiräume entstanden, von denen man zu Hans Christian Andersens Zeiten noch nicht einmal hätte träumen können.

Gleichzeitig habe die sexuelle Revolution Ende der 60er Jahre so gründlich enttabuisiert und -mystifiziert, dass heute Beischlafszenen im Kino gezeigt und nackte, an prekären Stellen gepiercte Körper auf der Love Parade präsentiert werden könnten, ohne dass die Zuschauer daran denken würden, übereinander herzufallen.

David Jay und viele seiner Mitstreiter wollen nun auch die Enthaltung vom Tabu befreien, wollen sich die gleiche gesellschaftliche Anerkennung erkämpfen, die Homosexuelle mittlerweile genießen. Die Methoden, denen sich die Asexuellen-Befreier bedienen, gleichen denen der Schwulenbewegung in den 60er und 70er Jahren: Interviews, Pamphlete und stolz zur Schau getragene A-pride- und

A-sexy-Leibchen.

»Das, was früher Institutionen wie Kirchen, Parteien und Vereine an Identitätsstiftung geleistet haben, übernehmen immer mehr private Interessengruppen«, analysiert Sigusch. »Teil einer solchen Gruppe zu sein macht einen für andere Menschen interessant und bringt dadurch eine gewisse narzisstische Befriedigung.«

Asexualität normal zu finden machte dem Frankfurter Professor selbst Schwierigkeiten. »Als ich das erste Mal einen Mann in meiner Sprechstunde hatte, der keine Lust hatte, aber physisch und psychisch befundlos war, war ich erst einmal ratlos«, erzählt Sigusch. »Aber dann hab ich gedacht: Warum soll ich den therapieren? Der hat einfach eine geringe Libido. Psychotherapie läuft doch ohnehin am Ende nur darauf hinaus, einen Zustand akzeptieren zu lernen.«

Katis Freund akzeptierte, dass sie nicht mit ihm schlafen wollte, verstand, warum sie sich verweigert habe, sagt sie. Getrennt hätten sie sich aus anderen Gründen: zu viele Projekte, auseinander fallende Ziele, Alltagsknatsch. Aber wenn sie noch einmal jemanden für eine Beziehung finden würde, dann würde sie auch gerne Kinder haben. Mit Hilfe künstlicher Befruchtung, sagt sie und hat sich deswegen schon bei einer Frauenärztin erkundigt. Aber die habe gesagt, Kati müsse erst »alle natürlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um schwanger zu werden«. Das sei nicht ganz richtig, sagt hingegen ein Hamburger Gynäkologe: »Generell kann sich jeder für eine In-vitro-Fertilisation entscheiden. Nur verweigert die Krankenkasse in bestimmten Fällen eben die Zahlung.«

Der 33-jährige Mediziner Mauricio aus Brasilien, der in Berlin in einem Forschungsprojekt arbeitet, traf durch Aven zum ersten Mal auf Menschen, die sich ebenso wenig für Sexualität interessieren wie er. »Ich bin froh, hier in Deutschland zu sein. In Brasilien ist es weitaus schwerer, zu sagen, man habe keine Lust. Da herrscht eher noch so das klassische Bild vor vom Mann, der immer bereit ist.«

Zwei feste Freundinnen habe er bis jetzt gehabt, mit ihnen zusammengewohnt und sogar gelegentlich mit ihnen geschlafen. »Aber das hat mir einfach nichts gegeben. Es war wie E-Mails verschicken oder Geschirrspülen – also nichts, was mich mit Leidenschaft erfüllt.« Auch Mauricio hat eine Psychotherapie hinter sich. Er hat das Thema »mangelnde Lust« öfters angesprochen. Und war verzweifelt, dass auch die Therapie daran nichts änderte. »Ich dachte, ich sei einfach verkorkst.« Erst durch die Asexuellen-Website wurde ihm klar, dass es Menschen gibt, die keinen Sex wollen. Und sich trotzdem nach einem Partner sehnen.

So wie Anja, 25, eine von Mauricios Aven-Bekanntschaften, die inzwischen eine Lösung für sich und ihren Freund gefunden hat, der mit der Sexlosigkeit der Beziehung Schwierigkeiten hatte: Er, bisexuell orientiert, darf fremdgehen. Mit Männern.

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im hiesigen Forum wirst Du wahrscheinlich nicht viele asexuelle finden! Big Grin

aber das Thema scheint im Moment "in" zu sein - in der ARD (Polylux?) lief neulich auch ein Beitrag dazu.
Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht schon immer asexuelle gab, die sich aber nicht richtig in die Öffentlichkeit trauten.
Und heutzutage wird ja wirklich jedes Thema medial breitgetreten.
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knallkopJedem seine Neigung knallkop

gDAber ohne mich gD ;eT
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Zitat:Original von TomDo69
im hiesigen Forum wirst Du wahrscheinlich nicht viele asexuelle finden!
Das stimmt - aber sicher einige, die von diesem Thema direkt oder indirekt betroffen sind... der Zeit-Artikel ist einfach gut geschrieben Smile


Zitat:Original von TomDo69
aber das Thema scheint im Moment "in" zu sein - in der ARD (Polylux?) lief neulich auch ein Beitrag dazu.
Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht schon immer asexuelle gab, die sich aber nicht richtig in die Öffentlichkeit trauten.
Und heutzutage wird ja wirklich jedes Thema medial breitgetreten.
Vielleicht entspringen Artikel und Polylux-Beitrag dem selben think tank: ein Thema vielfach medial ausgeschlachtet und verwertet.

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Na, so wie manche bestimmte sexuelle Neigungen haben, gibts eben auch Leute, die gar keine Neigungen haben! Smile Ich denke, das wird in Zukunft eher zunehmen, da unsere Gesellschaft imho ein wenig oversexed ist. Das nimmt m.E. durchaus ein wenig den Reiz, so dass sich manche Leute irgendwann eben gelangweilt fühlen.
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Da lass ich meine Signatur für mich sprechen
sex ist nicht alles, aber ohne sex ist alles nichts
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Hallo leute,

ertmal ein Dankeschön an Poppstar für die mühe, die er sich gemacht hat. Ich selbst lese die Zeit per Abo und hab diesen Artikel gar nicht gelesen , na sowas.

Ich denke auch, daß unsere Gesellschaft "oversexed " ist und daß auch so manche Menschen von diesem "Zwang" genervt sind.
Das sehe ich jeden Tag am Verhalten der Jugendlichen , die sich stets bemühen müssen en vogue zu sein . Ich schätze, daß gerade bei jungen Menschen ein starker Gruppenzwang herrscht und Asexualität eine Form ist, sich diesem zu verweigern oder etwas entgegenzusetzen insbesondere im Hinblick auf Identitätssuche u.ä. .

Übrigens ...ich hab mal über eine Kontaktanzeige im Meier "Lust & Liebe" eine frau kennengelernt, die sich von ihrem mann getrennt hat, weil der quasi asexuell war (diesen Begriff hat sie benutzt) .Dies deswegen, weil er nur noch gearbeitet hat(unternehmensberater) .
Sie war sehr devot und wollte es mal so richtig mit Hieben und so . Gebracht hab ich letzteres nicht so sehr, aber die nacht hat auf alle Fälle sehr viel Spaß gemacht ....war das geil !

Viele Grüsse aus der sonnigen Pfalz

Zap
I am only interested in two things..http://www.youtube.com/watch?v=WzzWEeiUf3Y
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Zitat:Original von zap
Ich denke auch, daß unsere Gesellschaft "oversexed " ist und daß auch so manche Menschen von diesem "Zwang" genervt sind.
Das sehe ich jeden Tag am Verhalten der Jugendlichen , die sich stets bemühen müssen en vogue zu sein . Ich schätze, daß gerade bei jungen Menschen ein starker Gruppenzwang herrscht und Asexualität eine Form ist, sich diesem zu verweigern oder etwas entgegenzusetzen insbesondere im Hinblick auf Identitätssuche u.ä. .

Das sehe ich übrigens ähnlich. Zu diesem Thema hat gerade gestern im Vorfeld des Papst-Besuchs Kardinal Meisner folgendes gesagt:
Ein Mangel an religiöser Erziehung hat Jugendliche nach Ansicht des Kölner Erzbischofs Kardinal Joachim Meisner anfällig für Sekten und Drogen gemacht. «Die heutigen Jugendlichen sind ja metaphysisch obdachlos», sagte Meisner in einem dpa-Gespräch.
Und "oversexed" ist meiner Meinung nach stark korreliert mit "Mangel an religiöser Erziehung". Ich bin sicherlich kein Moralapostel, aber ein wenig Erziehung und Leben mit und nach Moral, Werten und Ziel ist notwendig. Man kann darüber streiten, ich denke aber, daß "oversexed", "asexuell" und "atheistisch" (losgelöst von Meisners Konfession) zusammenhängen.

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#10
Also auch mal meinen Senf dazu geb.

Ich habe im vorletzten und letzten Jahr in einem Forum unabhängig voneinander zwei sehr nette Ladys kennengelernt (47, Krankenschwester, Mann Zahnarzt, 42, Büroleiterin, Mann Manager), deren Männer wohl asexuell sein müssen. Jedenfalls waren beide "unterwegs", um das zu suchen, was sie absolut glaubhaft versicherten, zu Hause nicht zu haben.

Allerdings sind solche Ladys nicht ganz pflegeleicht, weil sie einerseits aus Liebe (und/oder Versorgungsgedanken) ihre Ehe nicht gefährden wollen (was ja eigentlich optimal ist), andererseits aber doch klammern und nicht nur heimliche sexuelle Treffen (ich habe dafür ein diskretes Kuschelnest), sondern auch darüber hinaus gehende Emotionen ausleben möchten. Danger!!!! ;cryb

Aber nett war es bei beiden, unglaubliche Fuckin :blow 69 Erlebnisse.
Kann die Männer (natürlich) nicht verstehen. Aber wenn es denn krankhaft ist haben die ein echtes Problem.
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